Rechtsprechung

Darlehensrückzahlung: Darlegungs- und Beweislast

Landgericht Hagen, Urteil vom 22.05.2012 - 6 O 59/12

Eine Tatsache ist beweisen, wenn für sie nach der freien Beweiswürdigung des Gerichts (§ 286 Absatz 1 ZPO) ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit spricht, dass aus der Perspektive eines vernünftigen Betrachters Zweifeln Schweigen geboten ist, ohne sie völlig auszuschließen. Macht eine Partei Darlehensrückzahlungsansprüche geltend, hat sie hinreichend substantiiert darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass als Rechtsgrund für die Leistung eines bestimmten Geldbetrages zwischen den Parteien ein Darlehensvertrag vereinbart wurde. Den Darlehensgeber trifft dementsprechend die Beweislast für die causa der dem Darlehensnehmer gegenüber erbrachten Geldleistung.

Dem Umstand, dass die Kläger ihre Behauptung eines Vertragsabschlusses nicht durch die Vorlage einer Vertragsurkunde untermauern können, ist im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 286 Absatz 1 ZPO) Rechnung zu tragen, auch wenn das BGB für einen wirksamen Darlehensvertrag, der kein Verbraucherdarlehensvertrag im Sinne des § 491 Absatz 1 und 2 BGB ist, keine Schriftform vorsieht. Ein schriftlicher Darlehensvertrag bedeutet über den Beweismwert des § 416 ZPO hinaus ein Indiz dafür, dass zwischen den Parteien ein wirksamer Darlehensvertrag mit dem in der Urkunde niedergelegten Inhalt abgeschlossen wurde. Bei einem Darlehensvertrag in der Größenordnung von 50.000,00 EUR ist eine schriftliche Fixierung der getroffenen Vereinbarung üblich.

Bestehen Zweifel an der Glaubhaftigkeit der klägerischen Behauptungen, die jedoch die theoretische Denkbarkeit des Klagevorbringens nicht kategorisch ausschließen, so erhöhen sich dadurch die Anforderungen an die Darlegungen der klägerischen Partei und an die Aussagen von Zeugen, mit deren Hilfe der klägerische Vortrag unter Beweis gestellt werden soll.

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Materiell-rechtliche Auswirkungen der Rücknahme einer Prozessaufrechnung


Amtsgericht Lüdenscheid, Urteil vom 05.08.2011 - 93 C 193/10

Nach zutreffender Ansicht hat die Prozessaufrechnung eine Doppelnatur und ist dieser zufolge sowohl Privatrechtsgeschäft als auch Prozesshandlung. Der Eintritt der Wirkung des § 389 BGB richtet sich indes allein nach dem materiellen Recht.

Die Rücknahme der materiell-rechtlichen Aufrechnungserklärung ist wegen ihrer Gestaltungswirkung ausgeschlossen und endgültig. Wie die materiell-rechtliche Wirkung der (Prozess-) Aufrechnung durch gegenläufige Erklärungen im weiteren Prozessfortgang wieder beseitigt werden könnte, ist daher nicht erkennbar. Insoweit ist die Norm des § 139 BGB weder direkt noch analog anwendbar.

Der Umstand, dass der Bundesgerichtshof einen anderen Standpunkt vertreten mag, nötigt nicht zu einer anderen Beurteilung, denn die Entscheidungen vom 30.03.1994 (VIII ZR 132/92) und 19.11.2008 (XII ZR 123/07) setzen sich kaum mit der zugrunde liegenden Probelamtik auseinander.

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Aufhebung einer einstweiligen Verfügung wegen nicht rechtzeitiger Vollziehung

Landgericht Hagen, Urteil vom 06.06.2011 - 10 O 88/11

Der Ablauf der Vollziehungsfrist des § 929 Absatz 2 ZPO zählt zu den "veränderten Umständen" im Sinne des § 927 ZPO, so dass eine einstweilige Verfügung auf Antrag des Verfügungsschuldners im Falle der nicht fristgerechten Parteizustellung aufzuheben ist. Bei einer Urteilsverfügung beginnt die Vollziehungsfrist ab dem Zeitpunkt der Urteilsverkündigung zu laufen.

Eine nicht fristgerecht vollzogene einstweilige Verfügung ist im Verfahren nach § 927 ZPO mit ex-tunc-Wirkung aufzuheben, denn Sinn und Zweck der Vollziehungsfrist ist, dass der im Anordnungsverfahren obsiegende Verfügungsgläubiger gezwungen werden soll, sich umgehend darüber schlüssig zu werden, ob er von der einstweiligen Verfügung Gebrauch machen will oder nicht. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass der Verfügungsschuldner noch nach längerer Zeit mit einer Vollstreckung überrascht wird, obwohl sich die Verhältnisse inzwischen geändert haben können.

Ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Verfügungsgläubigers bekannt, dass sein Mandant im Anordnungsverfahren obsiegt hat, muss er sich rechtzeitig vor Ablauf der Vollziehungsfrist darum bemühen, dass ihm das erkennende Gericht eine abgekürzte (vollstreckbare) Ausfertigung des Urteils erteilt, um diese Urteilsausfertigung den gegenerischen Verfahrensbevollmächtigten rechtzeitig zustellen zu können. Er darf nicht zunächst darauf warten, dass im das Gericht zunächst das in vollstänidger Form abgefasste Urteil von Amts wegen zustellt.

Wird die einstweilige Verfügung wegen nicht fristgerechter Vollziehung ex tunc aufgehoben, sind die gesamten Verfahrenskosten einschließlich der des ursprünglichen Anordnungsverfahrens dem Verfügungsgläubiger aufzuerleben. Eine Trennung der Kosten des Anordnungsverfahrens und des Aufhebungsverfahrens erscheint im Falle der Versäumung der Vollziehungsfrist nicht gerechtfertigt. Macht der Verfügungsgläubiger von der einstweiligen Verfügung nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist Gebrauch, muss er sich so behandeln lassen, als sei von vornherein ein Bedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht vorhanden gewesen.

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Anwendbarkeit der DIN 6880 Teil 3

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 29.01.2010 - I-19 U 97/09

Die DIN 6880 Teil 3 ist nicht teilweise durch die DIN EN 335 Teil 1 abgeschafft worden. Hinsichtlich der Frage des vorbeugenden chemischen Holzschutzes ist demzufolge davon auszugehen, dass die "Gefährdungsklasse 0" nach wie vor gültig ist und den gegenwärtigen Stand der Technik widerspiegelt.

Die Einholung eines Obergutachtens nach § 412 ZPO kommt nur in Betracht, wenn das erste Gutachten nach mündlicher Verhandlung mangelhaft ist oder von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht oder der Sachverständige erkennbar oder erklärtermaßen nicht die notwendige Sachkunde hat. Diese Voraussetzungen liegen nicht mehr vor, wenn nach der Anhörung des Sachverständigen die bis dahin bestehenden Widersprüche des Gutachtens aufgeklärt und die Ausführungen überzeugend sind sowie die tatsächlichen Voraussetzungen klargestellt wurden.

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Sachliche Zuständigkeit bei Streit über Gaspreiserhöhungen

Amtsgericht Lüdenscheid, Urteil vom 03.09.2009 - 94 C 22/09

Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten sind gemäß § 78 Satz 1 und 2 GWB - unabhängig vom jeweiligen Streitwert - ausschließlich die Landgerichte zuständig, wenn diese die Anwendung des GWB betreffen. Dies gilt auch wenn der Ausgang des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von einer Entscheidung abhängt, die nach dem GWB zu treffen ist.

Wendet der Gaskunde - wie im vorliegenden Rechtsstreit - unter Hinweis auf eine marktbeherrschenden Stellung des Energieversorgers ein, dass eine Preisbestimmung unbillig sei, dann gibt dies Veranlassung, nicht nur das Vorliegen der Voraussetzungen des § 315 Absatz 3 BGB zu prüfen, sondern auch das Vorliegen der Missbrauchsvoraussetzungen nach § 19 Absatz 4 Nr.2 GWB und der Verbotsvoraussetzungen des neuen § 29 GWB. Durch die zuletzt genannte Vorschrift, die in der Rechtsprechung und Literatur noch weitgehend unberücksichtigt geblieben ist, soll für den Bereich der Energiewirtschaft Preismissbräuchen durch eine Verschärfung der Missbrauchstatbestände und die Erleichterungen für die Kartellbehörde bei der Wahrnehmung der Preismissbrauchsaufsicht effektiver als bislang, mithin effektiver als dies allein § 19 GWB ermöglicht, begegnet werden.

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Unwirksame Werbevertragsklausel

Amtsgericht Lüdenscheid, Urteil vom 31.07.2008 - 94 C 36/08

Die in dem Formulartext eines Anzeigenauftrages enthaltene Klausel, wonach die Anzeige sechs weitere Monate "zum oben genannten Preis pro Monat" erscheinen soll, wenn der Auftraggeber den Auftrag nicht bis 20 Tage ab Erstrechnungsdatum durch eine schriftliche Nachricht "beendet" oder bereits bei seiner Unterschrift den Zusatz "einmalig" vermerkt, ist gemäß § 307 BGB unwirksam.

Die in dem Formulartext enthaltene Erklärungsfiktion benachteiligt den Vertragspartner unangemessen, insbesondere weil ein anerkennenswertes berechtigtes Interesse des Verlages an der Verwendung der Erklärungsfiktion fehlt. Das Interesse des Verlages liegt erkennbar darin, über den Erstauftrag hinaus einen weitreichenderen Auftrag zu erhalten mit einem sechsmal größeren Volumen.

Gegen die Wirksamkeit der Klausel spricht auch, dass ein nicht allzu aufmerksamer Leser übersehen könne, dass seine Unterschrift nicht nur den in der oberen Hälfte des Formulartextes angesprochenen ersten Auftrag zum "Kennenlernen" abdeckt, sondern sich eben auch auf einen weiteren Auftrag über Folgeanzeigen bezieht.

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